Dienstag 07. Juli 2015 | 12:45

Die wichtigste Sparmassnahme wäre eine Strukturreform

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Mein Kommentar zum bereits dritten Baselbieter Sparpaket in bloss zehn Jahren

Mit der Zeit könnte man sich direkt noch daran gewöhnen: Innerhalb von zehn Jahren legt der Baselbieter Regierungsrat bereits das dritte Sparpaket vor. Es begann 2005 mit dem Entlastungspaket aus der Generellen Aufgabenüberprüfung (GAP). Insgesamt umfasste dieses Paket 252 Massnahmen mit einem Sparpotenzial von rund 135 Millionen Franken. 2011 folgte das «Entlastungspaket 12/15». Mit weiteren 185 Massnahmen sollte der Finanzhaushalt um 180 Millionen Franken entlastet werden. Nun wird bereits das nächste Sparpaket lanciert, noch bevor dem Landrat der Schlussbericht zum letzten Paket unterbreitet wurde. Da die erzielten Entlastungswirkungen laufend wieder aufgefressen werden, muss in immer kürzeren Abständen nachgelegt werden. Je nach Quelle umfasst das morgen [heute] präsentierte Paket ein Sparvolumen zwischen 97 Millionen Franken, wie es die bz vermutet, oder 300 Millionen Franken, wie es andere, normalerweise gut unterrichtete Quellen vermelden.

Seit anfangs der 1990er-Jahre ist die Erfolgsrechnung im Kanton Basel-Landschaft von mehrjährigen Defizitphasen  und  eher  geringen  Überschüssen geprägt, nachdem sich die Hochkonjunktur nach einer zweiten Phase des Aufschwungs endgültig verabschiedet hatte. Im Laufe der Zeit verdüsterte sich dieses Bild noch. Der Baselbieter Staatshaushalt ist heute mehr denn je aus dem Gleichgewicht geraten. Hauptursache ist ein strukturelles Defizit –  die Erträge reichen nicht mehr zur Finanzierung der laufenden Ausgaben, geschweige denn der erforderlichen Investitionen aus eigener Kraft. So ist man bisher den Beweis schuldig geblieben, dass man überhaupt in der Lage ist, die unter dem Eindruck der Hochkonjunktur geschaffenen Infrastrukuren angemessen zu unterhalten. So fehlen heute etwa die Mittel zur dringenden Sanierung der Umfahrung Liestal. Das einzige Szenario ist mittlerweile die möglichst rasche Übernahme und Sanierung durch den Bund.

Das Problem von Baselland ist nicht die Finanzkraft, auch wenn der Anteil der Steuereinnahmen juristischer Personen höher sein sollte. Trotzdem gehört man mit acht anderen Kantonen zu den Geberkantonen im nationalen Finanzausgleich und gilt als ressourcenstark. Das Problem sind die Strukturen in unserem Kanton – konkret der hohe Zentralisierungsgrad. Der Kanton verfügt zur Erfüllung der ihm (zu) zahlreich zugewiesenen Aufgaben über einen deutlich höheren Anteil am Steueraufkommen als die Gemeinden, obwohl letztere über mehr Bürgernähe verfügen und in verschiedenen Bereichen leistungsfähiger sind. Diese Strukturen wirken sich stark negativ auf die Dynamik aus, der Kanton agiert finanziell zusehends im Bereich der permamenten Überforderung. Nur eine echte Strukturrreform und eine Stärkung der Gemeinden kann dauerhaft Abhilfe schaffen. Dies hat man bisher zu sehr ausgeblendet.

Die Strukturprobleme in unserem Kanton sind nichts neues. Die ersten Jahrzehnte nach der Kantonsgründung überlebte man finanziell mehr schlecht als recht nur dank den Erträgen aus dem Salzabbau in Schweizerhalle. Beim Eintreiben der direkten Steuern hingegen bestanden grosse Defizite. Sparmassnahmen hatten deshalb auch damals Hochkonjunktur. So sah sich der Finanzdirektor im Jahr 1854 beispielsweise veranlasst, dem Regierungsrat vorzuschlagen, dass das Reinigungspersonal der Staatslokalitäten die benötigten Besen und Staublappen aus dem eigenen Sack bezahlen sollte. Die Bezirksschulen sollten die neue Tinte jeweils in Liestal nachfüllen, anstatt sie flaschenweise selbst einzukaufen. Für das Sitzungszimmer des Regierungsrates sollte zudem auf die Anschaffung von Landkarten verzichtet werden. Es kann nicht wirklich verwundern, dass die bz die damaligen Regierungsräte wegen dieser kleinlichen Sparerei als «Knorzer» und «Sackpatrioten» und das System als «Knorzregiment» charakterisierte. Mit den genannten Anträgen, welche die strukturellen Defizite ausblendeten, konnte der in Schieflage geratene Haushalt selbstredend nicht gerettet werden.

Auch damals war das Verhältnis zwischen Kanton und Gemeinden nicht ausbalanciert – allerdings in entgegengesetzter Richtung als heute. «Die Gemeinde ist bei uns seit der ganzen Zeit des Bestandes des Kantons so sehr und immer mehr die Trägerin des öffentlichen Lebens geworden, dass unser Staat noch nie zum Vollgefühle der Souveränität gekommen, sondern immer als blosses Aggregat von Gemeinden erschienen ist. So sehr auch die Verwaltung einen einheitlichen Mittelpunkt gesucht hat: unsere Geschichte zeigt hier mehr einen zentrifugalen Fortgang.» Mit diesen Worten gab 1874 der damalige Ständerat Martin Birmann seinem Ärger über die starke Stellung der Gemeinden im Kanton Ausdruck. Insbesondere mit der Verfassungsreform von 1892 wurde der Kanton gestärkt – auch, um die stark gewachsenen, stadtnahen Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu entlasten. In den folgenden Jahrzehnten ging die Entwicklung dann nur noch in eine Richtung. Über mehrere Runden führte die Aufgabenteilung zu einer immer stärkeren Zentralisierung beim Kanton, bis der bestehende Zustand erreicht war.

Heute muss die Autonomie der Gemeinden wieder gestärkt werden – viele weitere Sparpakete in immer rascherer Kadenz werden nicht den gewünschten Erfolg erzielen, wenn nicht endlich die Strukturen reformiert werden und eine neue Balance zwischen dem Kanton und den Gemeinden errichtet wird.

(Erschienen in der Basellandschaftlichen Zeitung vom 7. Juli 2015).